Kategorie: Der Klimajäger klärt auf
Wie ein Dach hilft, die Welt zu retten
Andreas Jäger
veröffentlicht am 22.3.2023
Die 3 großen Bedrohungen des Klimawandels - und wie grüne Dächer sie meistern
Wir müssen den Klimawandel nicht nur bekämpfen, wir müssen ihn auch abfedern. Ein begrüntes Dach kann uns dabei helfen, die 3 größten Herausforderungen der Klimakrise zu meistern: Begrünte Dächer schützen vor Hitze, begrünte Dächer entschärfen Dürren und begrünte Dächer können Überschwemmungen verhindern. Aha. Und wie machen sie das? Fangen wir von vorne an.
„Bis jetzt hat jedes Gebäude die 3 großen Bedrohungen des Klimawandels – Hitze, Dürren oder Überschwemmungen – verschärft.“
Wie ist es bis jetzt gelaufen?
Bis heute haben wir die 3 großen Bedrohungen des Klimawandels durch ungeschicktes Bauen verschärft. Wir haben...
• die Hitze noch schlimmer gemacht: Die dichte, ungeschickte Bebauung in den Städten hat Hitzeinseln geschaffen. Wer in der „Betonwüste“ des Stadtzentrums lebt, muss doppelt so viele Tage über 25 Grad in Kauf nehmen, wie in einem Haus am Stadtrand. Unter dem Strich hat bis jetzt jedes neue Gebäude oder Haus die immer heißeren Sommer verschärft.
• Dürren verschärft: Bis heute ist praktisch jede Verbauung eine Bodenversiegelung. Wasser kann nicht versickern und für Trockenzeiten gespeichert werden. Das ist fatal, weil langanhaltenden Heißwetterphasen im Sommer häufiger geworden sind. Dadurch trocknen die Böden rascher aus und Felder verdorren. Ein Problem, das mit jeder Versiegelung von wertvollem Ackerland verschärft wird.
• mehr Überschwemmungen als notwendig wären: Die Versiegelung der Böden durch Häuser und Gebäude verschärft auch die Hochwassergefahr. Wasser das nicht versickert, staut sich bei Starkregen - also sintflutartigen Wolkenbrüchen in wenigen Stunden – in den Gerinnen und sie laufen über. Solche Starkregenereignisse haben mit dem Klimawandel in den vergangenen 30 Jahren markant zugenommen.
Fazit: Bis heute hat jedes neue Gebäude oder Haus die 3 großen Bedrohungen des Klimawandels – Hitze, Dürren oder Überschwemmungen – verschärft. Das muss aber nicht so sein: Wir haben es in der Hand, die negativen Effekte der Bebauung umzudrehen – und Gründächer werden uns dabei helfen.
Erster Klimaeffekt: Grüne Dächer lindern die Hitze
Ein „Sommer wie damals“ ist Geschichte. Die Hitze draußen zu halten, ist heute das wichtigste Gebot. Drückend heißes „Baracken-Klima“ - das wir früher vielleicht ein paar Tage erdulden mussten - hält mittlerweile wochenlang, Sommer für Sommer.
„Was früher ein Rekord war, ist heute Durchschnitt.“
Die Projektionen in die Zukunft von Geosphere Austria (ehemals ZAMG) für die österreichischen Landeshauptstädte sprechen Bände: Im Laufe von nur einer Generation hat sich die Anzahl Hitzetage - also Tage mit Temperaturen über 30 Grad – verdoppelt bis verdreifacht. Was früher ein Rekord war, ist heute Durchschnitt.
Analyse und Prognose der Hitzetage durch Geosphere Austria (vormals ZAMG): „Die Zahl der Tage über 30 Grad pro Jahr hat sich in Österreich in den letzten Jahrzehnten verdoppelt bis verdreifacht... Ohne globalen Klimaschutz ist in Österreich bis zum Jahr 2100 eine weitere Verdoppelung bis Verdreifachung der Hitzetage zu erwarten“
Aber das ist nicht das Ende der Erwärmung: Sollte wir es schaffen, die Klimaerwärmung gemäß dem Paris-Ziel einzudämmen, steigen die Hitzetage zum Beispiel in Graz noch auf 22 Tage pro Sommer an (roter Balken). Ohne globalen Klimaschutz sind das bis zum Ende des Jahrhunderts 46 Hitzetage (violetter Balken). Das sind eineinhalb Monate glühende Hitze. Bezogen auf die 80er-Jahre ist das eine Verzehnfachung. Graz ist nur ein Beispiel. Die aufkommende Hitze wird uns alle treffen - sowohl im Haus, als auch um das Haus herum.
Wie schützen uns grüne Dächer vor dieser Hitze?
Ganz einfach: über Verdunstungskühlung.
Unter der glühenden Sonne im Sommer können Dächer mit Bitumenschweißbahnen oder dunkler Farbe bis zu 80° Celsius heiß werden und auch bei Dächern mit Kiesschüttung sind Temperaturen bis zu 65° Celsius möglich – beides heiß genug um Spiegeleier am Dach zu braten.
„Bei Gründächern mit Wasseranstaukörper sind es sogar nur 22° Celsius“
Mit einem begrünten Dach entsteht diese Hitze am Dach erst gar nicht: Die Verdunstung von Wasser im Substrat des Gründachs und Verdunstung von Wasser durch die Spaltöffnung an der Unterseite der Blätter kühlt das Dach, so wie Schweiß im Sommer unsere Haut kühlt. Dadurch wird ein Gründach nicht wärmer als 30° Celsius. Bei Gründächern mit Wasseranstaukörper sind es sogar nur 22° Celsius und Barfußbegehung im Hochsommer ist möglich.
Oben: Berechnete Wasserverdunstung (blaue Säulen) auf Gründächern bei unbewässerter Sedumbegrünung. Wasser verdunstet bis in den Sommer hinein und kommt im Juli und August auf Grund von Trockenheit fast zum Erliegen. Mitte: Eine zusätzliche Bewässerung des Dachs führt zu einer effektiven zusätzlichen Verdunstung (rote Säulen). Unten: Durch ein Kräuter/Gräser Vegetation können die Verdunstungsleistungen auf bis zu 9 Liter pro Quadratmeter und Tag gesteigert werden (grüne Säulen). Quelle: DBU Abschlussbericht 2016
„Eine Gründach ist somit eine Klimaanlange, die sich von selbst regelt.“
Schauen wir es uns etwas genauer an: Die Kühlleistung am Gründach ist abhängig von der verdunsteten Wassermenge. Um einen Liter Wasser bei 25 Grad zu verdunsten, benötigt man ca. 670 Wh an Energie. Das kühlt die Luft. Diese Verdunstungskühlung liegt in der kalten Jahreszeit nahezu bei null und steigt im Frühjahr mit dem Beginn der Vegetationszeit von 1 bis 2 Litern pro m² am Tag auf bis zu 6 Liter im Juni an. Wenn das Dach nun durch eine intelligente Bewässerung vor Austrocknung geschützt wird und entsprechend mit Kräuter und Gräser bepflanzt ist, sind Verdunstungen bis zu 9 Liter den ganzen Sommer hindurch machbar. Eine Gründach ist somit eine Klimaanlange, die sich von selbst regelt.
Wie lindern Gründächer Hitzeinseln?
Ganz einfach: wieder über Verdunstungskühlung.
Bis jetzt war es ein ehernes Gesetz: Mit jedem Haus, jedem Gebäude, jeder Straße und jedem betonierten Platz wächst die städtische Hitzeinsel – die Urban Heat Island (UHI). Deutlich wird das bei einem Vergleich der Anzahl der Sommertage (Maximaltemperatur über 25 Grad) zu Zeiten Maria Theresias und heute: Schon im 18. Jahrhundert existierte im Stadtkern eine Hitzeinsel im Vergleich zum Umland. Neben der dichten Bebauung im Zentrum war es auch die Stadtmauer, die das Einfließen von kühlerer Luft aus dem Wienerwald in der Nacht behinderte. Mit dem dramatischen Bevölkerungswachstum Ende des 19. Jahrhunderts - Wien wuchs auf über zwei Millionen an - breitete sich diese Hitzeinsel auf die heutigen Ausmaße aus.
„Im Zentrum jeder österreichischen Landeshauptstadt muss man mit circa der doppelten Anzahl an Sommertagen im Vergleich zum Stadtrand rechnen.“
Anzahl der Sommertage über 25 Grad Celsius in Wien zu Zeiten Maria Theresias (oben) und heute (unten). Mit der Bebauung hat sich auch die städtische Hitzeinsel ausgebreitet. Quelle: Žuvela-Aloise et al., 2014
Der Effekt gilt nicht nur für eine Millionenstadt wie Wien. Im Zentrum jeder österreichischen Landeshauptstadt muss man mit circa der doppelten Anzahl an Sommertagen im Vergleich zum Stadtrand rechnen. „Ungeschickte“ Verbauung und die laufende Klimaerwärmung verstärken sich. Es ist hoch an der Zeit diesen Effekt zu entkoppeln. Gründächer können hier ein wichtiges Werkzeug im Koffer der Stadtplaner werden.
Hitzeinsel (Urban Heat Island) in Klagenfurt: Im Zuge der massiven Erwärmung ab den 80er Jahren (oben) hat sich die Anzahl der Sommertage massiv erhöht (unten). Die stattgefundene Bodenversiegelung hat die laufende Klimaerwärmung verstärkt. Quelle: „ZAMG urban Modelling“, 2017
Gebäude mit Gründächern können ihre Umgebung kühlen
Gebäude müssen den Hitzeinseleffekt nicht verstärken, sie können ihn im besten Fall sogar lindern. Dazu müssen wir den Häusern nur die Möglichkeit geben, wie wir Menschen zu schwitzen. Was bei uns der Schweiß ist, der auf der Haut verdunstet und kühlt, ist bei Gebäuden Wasser, das vor allem über Pflanzen verdunstet und die Hitze lindert. Bepflanzte Dächer sind dazu eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten.
„In Zukunft sollen Gebäude Hitzeinseln nicht mehr verschärfen.“
Beim Vorzeigeprojekt des neuen IKEA Centers am Westbahnhof ist die gefühlte Temperatur am bepflanzten Dach – laut des GREENPASS-Zertifikats – um bis zu 12,6 Grad für die Besucher tiefer. Durch weitere Maßnahmen wie zusätzlichen 160 Bäumen am Dach, auf Terrassen und am Gelände kühl das Gebäude laut den Berechnungen das Gelände um den Bahnhof im Vergleich zur vorherigen Bebauung.
Laut GREENPASS Berechnungen kühlt das neue IKEA-Gebäude am Westbahnhof in Wien die nähere Umgebung statt sie weiter aufzuheizen. Das begrünte und von Kunden genutzte Dach leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Quelle: greenpass.io
Das ist die Vision: In Zukunft sollen Gebäude Hitzeinseln nicht mehr verschärfen. Im Gegenteil, jedes renovierte oder neue gebaute Haus, soll den Hitzeinsel-Effekt abmildern. Gründächer leisten hier einen wertvollen Beitrag.
Zweiter Klimaeffekt: Grüne Dächer können Dürren lindern
Die dramatische Bodenversiegelung der vergangenen Jahrzehnte – Österreich hat den größten pro Kopf-Bodenverbrauch in Europa – verstärkt nicht nur die Hitze, sie verstärkt auch Dürren. Mehr Trockenheit ist ein wesentlicher Effekt des Klimawandels. Er regnet zwar nicht unbedingt weniger, aber es regnet anders als früher. Die gleiche Menge an Regen wird über weniger Regentage verteilt. Das bedeutet: lange Phase ohne Regen sind häufiger geworden. Da die Luft gleichzeitig wärmer geworden ist und Feuchtigkeit sucht, kommt es wesentlich schneller zu Dürren.
„In Zukunft wird es mehr und mehr notwendig sein, Wasser für schlechte Zeiten zu speichern – Dächer mit aktivem Wassermanagement können dabei wertvolle Hilfe leisten!“
Nach dem „Jahrhundertsommer“ 2003 folgten schon 2015, 2019 und 2022 die nächsten Sommer mit Rekordhitze. Mehr Dürren sind eine der größten Bedrohungen der laufenden Klimaerwärmung
Die Bodenversiegelung verschärft die häufigeren Dürren dramatisch: Wasser, das früher in den Boden gesickert wäre und den Pflanzen als Reserve gedient hätte, rinnt heutzutage ab und ist verloren.
Wie lindern Gründächer Dürren?
Gründächer können Regen puffern und im besten Fall das Wasser aus Starkregenereignissen zurückhalten. Mit innovativen, sogenannten „Detentionsgründächern“ kann der Umgebung sogar Wochen später wieder kontrolliert Wasser zugeführt werden. Bäche und andere kleine Gerinne können so länger laufen und die Natur länger am Leben erhalten.
Auch wenn das für unsere Breiten neu ist: In Zukunft wird es mehr und mehr notwendig sein, Wasser für schlechte Zeiten zu speichern – Dächer mit aktivem Wassermanagement können dabei wertvolle Hilfe leisten! Richtiggemacht, sind Gründächer eine „rückgebaute Versiegelung“ – quasi eine „Entsiegelung“.
Dritter Klimaeffekt: Grüne Dächer können Überschwemmungen verhindern
Nicht nur Dürren, auch Starkregenereignisse sind mit dem Klimawandel häufiger geworden und werden weiter zunehmen. Da wärmere Luft auch mehr Wasser aufnehmen kann, fällt in einem Wolkenbruch eines mächtigen Gewitters dann auch mehr Regen vom Himmel. Immer öfter sind Kanalisationen damit überfordert und kostspielige Überschwemmungen die Folge. Darauf müssen wie eine Antwort finden. Das ist vor allem in den europäischen Städten - mit ihren versiegelten Flächen, die jeden Wolkenguss ungebremst in die Gerinne leiten - ein offenes Geheimnis.
„Beim notwendigen Umbau unserer Städte zu „Schwammstädten“ werden Gründächer einen wertvollen Beitrag leisten.“
Die Antwort ist klar: Wir müssen es schaffen, den Wasserfluten eines sintflutartigen Wolkenbruchs zumindest die Spitze zu nehmen. Dazu hat man in Skandinavien das Stockholmer Modell der „Schwammstadt“ entwickelt: Vereinfacht gesagt, wird so viel Wasser wie möglich in Retensionsbereichen - wie dem Wurzelraum der Stadtbäume oder eben auch Dächern – zurückgehalten. Dadurch sollen Kanalisationen wirkungsvoll entlastet werden.
Schwammstadt-Prinzip: Im porösem Wurzelraum der Stadtbäume sammelt sich Regenwasser. Tausende Liter, die nicht in die Kanalisation fließen.
Zurück zum begrünten Dach: Beim notwendigen Umbau unserer Städte zu „Schwammstädten“ werden Gründächer einen überaus wertvollen Beitrag leisten. Smarte Dächer mit aktiver Wasseranstauregulierung können extreme Starkregenereignisse zu 100 % auf dem Dach zurückhalten. Bei einem sintflutartigen Starkregenereignis von zum Beispiel 40 Liter/m2 und Stunde sind das auf einem 100 m2 Dach immerhin 4 Kubikmeter Wasser, das der Kanalisation erspart bleibt.
Und nicht nur das: Das auf den Dächern langfristig gespeicherte Wasser kann bereits Stunden vor dem Starkregen die Umgebung auf das bevorstehende Ereignis vorbereiten. Ausgetrocknete Böden wie gebäudenahe Grünflächen oder trockene Sickerkörper nehmen fast kein Wasser auf und können sogar als hydrophob, also Wasser- bzw. Feuchtigkeits- abstoßend bezeichnet werden. Ausgetrocknete Böden „versiegeln“ also bis zu einem gewissen Grad den Untergrund. Das ist bei Starkregen fatal. Aber diese Flächen können mit dem auf dem Dach zurückgehaltenen Wasser vorbefeuchtet und wieder „wasseraufnahmefähig“ gemacht werden. Die Wasseraufnahmefähigkeit der vorbefeuchteten Flächen kann so von 8 Litern pro Stunde im trockenen Zustand auf 80 Liter im vorbefeuchteten Zustand gesteigert werden. Das dafür benötigte Wasser kommt vom Dach und schafft dort freies Wasserspeichervolumen für das bevorstehende Starkregenereignis.
„Die Lösung der Klimakrise wird die Summe vieler Lösungen sein. Begrünte Dächer sind eine davon.“
Am Ende sind Gründächer somit nicht nur ein wirksamer Schutz vor Hitze und Trockenheit, sondern auch eine effektive und dringend notwendige „Entsiegelung“ unserer bebauten Welt.
Zusammengefasst
Bei der Lösung der Klimakrise sollten wir auf keine Wunder hoffen. Weder ein Zauber noch eine heranreitende Kavallerie wird uns zu Hilfe kommen. Trotzdem werden wir es schaffen: Die Lösung der Klimakrise wird die Summe vieler intelligenter Lösungen sein. Begrünte Dächer sind eine davon.