Kategorie: Der Klimajäger klärt auf
Häuser müssen uns vor Hitze schützen
Andreas Jäger
veröffentlicht am 25.8.2023
Drinnen oder draußen? Bei drückender Hitze gar nicht so leicht zu beantworten. Ab 30 Grad ist der Mittagstisch im Garten kein Selbstläufer mehr. Irgendwann ist es zu heiß und man zieht den Tisch im klimatisierten Restaurant dem Gartentisch vor. Immer öfter auch bei uns. Mit der Klimaerwärmung haben unsere Gebäude eine neue Aufgabe bekommen – sie müssen zunehmend auch vor Hitze schützen. Ein Haus mit Gründach macht das intelligent und effektiv - wie die Natur.
"Die Natur hat sich einen Trick einfallen lassen - Schwitzen"
Wir Menschen sind Warmblüter. Wir halten unsere Körperkerntemperatur konstant bei 37 Grad Celsius, weil da unsere Zellen am besten funktionieren. Ein gewaltiger evolutionärer Vorteil. Jedoch ist es vor allem im Sommer schwierig, das 37 Grad-Niveau bei Kälte und Hitze zu halten. Da unser Stoffwechsel im Ruhezustand circa 100 W erzeugt, muss laufend überschüssige Wärme an die Luft abgegeben werden. Um das effektiv zu regeln, hat sich die Natur einen Trick einfallen lassen - Schwitzen: Bei Überhitzung benetzen Poren die Haut mit Schweiß, dieser trocknet in die Luft ab und führt dabei Wärme mit sich. Ein effektiver Vorgang - Schwitzen hat unseren Vorfahren in den heißen Savannen Afrikas das Überleben erst möglich gemacht.
Die Kühlung der Luft durch Schwitzen ist abhängig von der Luftfeuchtigkeit. Je trockener, desto besser. Die gefühlte Temperatur ist die Temperatur, die sich im Schatten bei Windstille auf der Haut einstellt. Wichtig: Bei gesättigter Luft (100% Luftfeuchtigkeit) ist die Lufttemperatur gleich der gefühlten Temperatur – Schweiß kann dann die Haut nicht mehr kühlen.
Eines ist sehr wichtig zu verstehen: Die Kühlung des Körpers durch Schweiß kann nur funktionieren, wenn die Luft nicht gesättigt ist. Luft muss Wasserdampf aufnehmen können, damit der Schweiß trocknen und damit kühlen kann. Man kennt das vom Aufguss in der Sauna. Es wird schlagartig heiß, da der Aufguss die Luft in Sekunden mit Wasserdampf sättigt. Schwitzen wird damit zwecklos.
Ab 35 Grad wird es lebensgefährlich
Hitzestress – eine Kombination aus hohen Temperaturen zusammen mit hoher Luftfeuchtigkeit – ist einer der folgenschwersten Auswirkungen der Klimaerwärmung und hat enorme, mitunter tödliche Konsequenzen. Mediziner*innen gehen davon aus, dass ein im Schatten ruhender gesunder Mensch eine gefühlte Lufttemperatur von 35 Grad nur für circa 6 Stunden überleben kann.
"Auch nackt und völlig nass mit Ventilator im Schatten liegend stirbt man bei Temperaturen über 40° Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit."
Im Klartext: Auch nackt und völlig nass mit Ventilator im Schatten liegend stirbt man bei Temperaturen über 40° Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit. Ein Beispiel: Bei 40 Grad und 70% Luftfeuchtigkeit liegt die gefühlte Temperatur (Feuchttemperatur) bei 34 Grad. Ohne Klimaanlage beginnt hier der Kampf ums Überleben. Zum Thema wurde das in Europa zum ersten Mal vor 20 Jahren im Hitzesommer 2003, als in Frankreich geschätzte 50.000 Menschen, vor allem ältere und schwächere, auf Grund der Rekordhitze und fehlender Vorsorge vorzeitig verstarben.
Weltweit wird Hitze ein immer drängenderes Problem. Auch heuer. Man denke an die Hitzewellen in Pakistan, Indien oder in China, wo man zum ersten Mal in der Messgeschichte 52 Grad gemessen hat. Aber auch bei uns in Österreich werden die Sommer immer heißer. 2013 haben wir zum ersten Mal nach 245 Jahren Temperaturmessung die 40 Grad-Grenze übersprungen. In der Zwischenzeit ist das schon öfter passiert.
Gründächer können schwitzen
Das heißere Klima stellt unsere Gebäude und Häuser vor eine neue Herausforderung: Sie müssen uns nicht nur wie früher vor Wind, Regen und Kälte schützen, sondern zunehmend auch vor gefährlicher Hitze. Nun aber das Heil (wie es viele machen) nur in Klimaanlagen zu suchen, ist auf Dauer eine kostspielige und vor allem eine energieaufwändige Sache.
Die erste Antwort auf überhitzte Wohnungen und Büros sollte immer eine bestmögliche Dämmung sein, das ist klar. Aber es gibt noch eine zweite Antwort und Gründächer geben sie – sie können schwitzen. Damit schützen uns die bepflanzten Dächer am Haus gleich doppelt vor der Hitze:
- Das Substrat, auf dem die Pflanzen wachsen, dämmt das Dach zusätzlich gegen eindringende Hitze.
- Die Bepflanzung kühlt das Dach sehr effektiv durch Verdunstung.
Die Dämmung des Substrats (die natürlich im Sommer wie im Winter wirkt) ist nicht ohne: Im Vergleich zu einem Kiesdach hat ein Gründdach einen bis zu 10 % geringeren Wärmeverlust. 10 cm Substrat am Dach sind mit einer bis zu 16 Millimeter dicken konventionellen Wärmedämmung zu vergleichen. Das hilft. Im Winter bleibt die Wärme länger in der Wohnung, im Sommer bleibt die Hitze länger draußen.
Aber das eigentliche Plus eines Gründachs ist die zusätzliche Verdunstungskühlung über die Bepflanzung, die das Dach kühl hält.
"Dachbegrünungen fangen bis zu 80% der Sonnenwärme über Verdunstung ab."
Physikalisch wird die Kühlung anhand des „Wärmedurchgangskoeffizienten“, den berühmten R-Wert, sichtbar. Der R-Wert gibt an, wie viel Watt Energie bei einer gegebenen Temperaturdifferenz zwischen innen und außen quasi „durchrutschen“. Der Trick des Gründachs ist es, diesen Temperaturunterschied zwischen der Dachoberfläche und der Zimmerdecke durch Verdunstungskühlung massiv zu verringern. Schon bei einem extensiven Gründach wird über 50% der Sonnenenergie in Verdunstung umgesetzt. Bei intensiveren Dachbegrünungen werden bis zu 80% der Sonnenwärme über Verdunstung an den Blättern abgefangen. Und genau das macht den Unterschied. Gründächer in der Mittagssonne kann man angreifen, Kiesdächer nicht.
Fazit
Häuser und Gebäude müssen uns im neuen Klima nicht mehr nur vor Regen, Sturm und Kälte schützen, sondern auch zunehmend vor gefährlicher Hitze. Begrünte Dächer machen das zweifach: Erstens dämmen sie das der Sonne ausgesetzte Dach zusätzlich und zweitens kühlt die Bepflanzung mittels Verdunstung die Dachoberfläche ab. Die Wohnung unter dem Dach ist besser geschützt und leichter zu kühlen.